Willkommen im Club -DAS Problem kenne ich ...
Meine Katze war irgendwas zwischen 1,5 bis 2 Jahre alt, als sie zu mir zog. Meine erste eigene Katze, ich stamme aus einer "Hundefamilie" und kannte entsprechend nur sehr gut die Körpersprache und Signale von Hunden.
Meine Katze war so wie Deine, wenn auch nicht mehr so spielwütig. Ich bekam ungezählte Bisse an allen möglichen Körperteilen. Manche entzündeten sich auch und eiterten; unschön. Ich war teilweise auch so verzweifelt, daß ich darüber nachdachte, sie wieder zurück zu geben. Aber dann siegte mein "... ich bin noch mit allen psychotischen Tieren klar gekommen..." und ich stellte mich der Herausforderung.
Natürlich las ich auch jede Menge "Fachliteratur", fragte Katzenhalter, Leute aus dem Katzenverein, etc. Auch ich bekam alle möglichen Tipps von Wasserflasche bis anpusten u.s.w. - nur half alles nichts. Und das ewige Gelaber in Sachen "sie ist eben schlecht sozialisiert etc. kam mir damals vor wie Klugscheißer-TV, denn erstens half es mir nicht und zweitens lag dies nicht in meiner Verantwortung. Ich hatte sie so übernommen.
Was geholfen hat: Ignorieren! Wann immer sie zuschlug, wendete ich mich ab, verwehrte ihr sowohl den Körperkontakt sowie den Augenkontakt. Saß ich auf der Couch und sie gesellte sich zu mir, stand ich schweigend auf und ging weg; ohne sie anzusehen. Bei ihren Beißattacken im Bett warf ich sie rigeros raus. Mein Oberbett diente als Schutzschild, denn da konnte sie ruhig reinbeißen, das ist dick genug. Sie hat mir mal heftig nachts ins Gesicht gebissen im Schläfenbereich. Ich war wirklich außer mir vor Zorn über diese Art mich zu wecken. Also warf ich sie aus dem Bett, sie kam wieder an, ich warf sie wieder raus, u.s.w. Ich blieb den Großteil der Nacht wach, um sie immer sofort heftig mit Hilfe meiner Bettdecke aus dem Bett zu werfen. Es war ein Gerangel über Stunden, bis sie sich auf ihren Kratzbaum zum schlafen legte. Fast zwei Tage sprach ich nicht mit ihr, sah sie nicht an, verwehrte ihr jeglichen Körperkontakt, indem ich mich abwendete und wegging; schweigend. Sie bekam wortlos ihr Futter hingestellt, Klo gesäubert, basta. Sie rennt gerne in den Hausflur, sobald die Tür offen ist. Normalerweise rufe ich sie dann wieder rein, aber ich sprach ja nicht mit ihr. Also einen zornigen Blick, entsprechende Körperhaltung, die Katze duckte sich und kam sofort wieder rein.
Ich habe sie zwei Tage echt schmoren lassen, bevor ich auf eine freundliche Annäherung ihrerseits mit einem Zurückblinzeln reagiert habe.
Es hat sich seitdem deutlich (!) gebessert. Sie schlägt zwar immer wieder noch mal zu, aber inzwischen reagiere ich viel schneller, kann ihre Körpersignale lesen und mich besser gegen einen möglichen Angriff wappnen. Ich kenne und akzeptiere ihre körperlichen Tabuzonen (Bauch) und sobald sie in altes Verhalten zurück fällt ignoriere ich sie wieder. Liegt sie dabei auf meinem Bauch springe ich sofort auf, wodurch sie runterfällt. Meine Hände nutze ich dafür nicht.
Inzwischen habe ich die Katze über drei Jahre, nun weckt sie mich, indem sie mich ableckt anstatt mir in Hand oder Ellenbogen zu beißen. 100 % berechenbar wird diese Katze nie, das habe ich akzeptiert. Aber ich sehe es ihr an, wenn plötzlich so eine "Übel-Sekunde" im Raum steht und verhalte mich dann entsprechend.
Und ich spiele nicht mit ihr, wo meine Hände direkt nah beteiligt sind. Sondern immer nur mit Angeln, Bälle zum werfen, lange (!) Fäden, etc. Und sobald sie wieder krallt, höre ich sofort auf und gehe weg; wortlos. Es hat für uns funktioniert, dauerte allerdings auch bestimmt ein Jahr.
Ein Kätzchen, das jünger ist als Dein Flegelkater, würde ich auf gar keinen Fall dazu nehmen. Was soll das bringen? Das er die Katze knechtet und sie sich vielleicht zukünftig immer angstvoll vor ihm versteckt? Nimm einen Kater im "Ramboalter", der klar die Hosen an hat. Auf Pflegestellen kann man Dir meist gut was über den Charakter des Tieres sagen. Er muß in der Lage sein Deinem Flegel deutlich seine Grenzen zu zeigen. Sowohl über sein Verhalten wie auch durch seine körperliche Präsenz. Das kann ein jüngeres Katzenkind nicht schaffen, zumal diese von Dir ausgesuchte Katze ja auch wieder zu früh getrennt wird. Willst Du Dein Problem x 2?
Wende Dich an Katzenhilfen, die mit Pflegestellen arbeiten. Schildere sehr ausführlich Dein Problem und Deine diesbezüglichen Wünsche und Hoffnungen, damit man Dir zielgerichtet helfen kann. Und wenn eine Stelle Dir gerade nicht weiterhelfen kann mangels passendem Vermittlungstier, dann wende Dich an eine andere Organisation.
Versuche es. Für mich war eine Zweitkatze leider keine Lösung, da meine erwachsene Katze keine anderen Katzen akzeptiert und der Versuch nach einer Woche ziemlich blutig eskalierte. Mit meinen Kaninchen hat sie hingegen überhaupt keine Probleme. Allerdings hat mein alter Rammler vom ersten Tag an klar gemacht, daß er der Chef hier ist und diesen Posten niemals aufgibt. Sie hat es schlußendlich akzeptiert. Da war er für mich Vorbild, denn er ließ und läßt ihr absolut nichts durchgehen.
Du mußt natürlich extrem konsequent sein; immer. Egal ob sie Dir gerade leid tut, Du müde bist oder einfach nur lustlos. Du mußt Dich so verhalten, wie ihresgleichen es tun. Die brüllen nicht Nein, pusten, meckern ... sie watschen zurück oder gehen einfach lautlos davon und würdigen den Rüpel keines Blickes mehr.
Natürlich mußt Du sie bei erwünschtem Verhalten entsprechend loben und sie mit Zuneigung überschütten. Sie muß ja auch die positiven Folgen von erwünschtem Verhalten lernen.
Viel Glück!
Sandra